Wo kann man in Berlin Vintage-Fashion kaufen? Zwei exemplarische Läden & weitere Adressen. Schnapp‘ dir ’ne Tasse Tee oder Kaffee, denn die Lesezeit ist etwas länger als sonst. 😉
Loretta Vintage Clothes
Susan Bähr (45) gehört Loretta Vintage in der Oderberger Straße 35, nicht weit weg vom Flohmarkt im Mauerpark (wo es übrigens auch ganz tolle Sachen zu ergattern gibt – ist aber bisschen überfüllt, wegen der ganzen Touris). Über ihren Laden, der im 50er und 60er Jahre Stil eingerichtet ist, sagt sie: „Querbeet ist alles drin – es ist aber nicht wahllos.“
Jedes Teil wird von ihr persönlich ausgewählt und in Kommission genommen. „Bei mir ist es schon so, dass es sehr subjektiv ist.“ Alles ist durchdacht: Wem könnte das Kleidungsstück stehen? Wie kann man es kombinieren? Die Sachen müssen außerdem in einem qualitativ gutem Zustand sein, sonst landen sie nicht auf dem Kleiderbügel.
An den Kleiderstangen hängen hochwertige Marken, aber auch Sachen von COS oder Zara. Der komplette Store ist nach Farben sortiert, was die Suche erleichtert. Bähr ist von Beruf Stylistin – das hilft ihr im Berufsalltag weiter, aber auch ihren Kunden. Für sie wird Mode dann spannend, wenn man Stilbrüche begeht und verschiedene Styles kombiniert.
Der Unterschied zu Humana oder Pick’n’Weight? „Die Kleidung im Humana ist in keinem guten Zustand, weil es Charity ist. Es ist eine Kette. Ich habe einen persönlichen Laden mit einer persönlichen Handschrift. Pick’n’Weight kauft tonnenweise aus den USA. Nichts ist handverlesen“, sagt sie.
Bähr hat eine Modeschule besucht, für das ZDF gearbeitet und Beiträge als Expertin fürs Fernsehen gehalten. Diese Frau versteht also ihr Handwerk 😉 Das merkt man dem Laden definitiv an! Sie hat viele Stammkundinnen, die ihre Klamotten verkaufen und gleich wieder etwas kaufen, sagt sie.
„Vintage ist die Sehnsucht nach einem individuellen Look.“
Susan Bähr, Loretta Vintage
Trotzdem gibt es etwas, dass alle Vintage und Second-Hand-Läden vereint: „Die Mode ist recycled. Es werden keine neuen Ressourcen verbraucht.“ Ihrer Meinung nach hat sich das Image von Second-Hand-Läden in den vergangenen Jahren gewandelt. „Früher ging man in den Second Hand, weil man nicht genug Geld hatte. Die Frauen, die zu mir kommen, haben aber durchaus das Geld. Vintage ist die Sehnsucht nach einem individuellen Look.“ Mit Second Hand sei es leichter, solch einen Look zu kreieren.
Dass es für Vintage-Läden in Berlin nicht leicht ist, kriegt Bähr immer wieder mit. Viele Läden würden eröffnen und kurz darauf schließen. „Die Mieten sind sehr hoch und die Gewinnspanne ist niedrig“, weiß sie.
„90 Prozent meiner Garderobe ist Second Hand“, sagt Bähr. Dabei muss das Kleidungsstück für sie eine gewisse Wertigkeit haben. Schnitt, Farbe, Material müssen passen. Das Schöne? „Man kann sich Materialien leisten, die man sich sonst nicht leisten kann.“
In ihrem Laden hat sie auch eine kleine Männerecke. „Aber Männer machen weniger Fehlkäufe und tragen ihre Klamotten länger. Meist sind es sehr alte Anzüge, die aussortiert werden.“
Der aktuelle Trend?
Gibt es einen aktuellen Trend? „Der Trend ist, dass es keinen gibt“, sagt Bähr. Allerdings ist ihr über die Jahre etwas aufgefallen: „Ich habe beobachtet, dass kurvigere Mädchen engere Mode anziehen und auch bauchfreie Tops tragen. Es geht weg vom Kaschieren. Frei nach dem Motto: Ich habe einen kleinen Bauch, aber fühle mich trotzdem sexy. Das macht das Straßenbild spannender.“ Mode war früher ein Ausdruck von Prestige. Heute ist es Individualität. Außerdem ist sie eine Kommunikationsform. Und die Sehnsucht nach einem perfekten Schrank wird nie stillstehen.“
In Berlin gebe es viele verschiedene Menschen und es sei manchmal gewünscht, aufzufallen. „Hier hat jeder seinen eigenen Look. Durch Instagram haben sich die Looks in den Metropolen angeglichen. Die Inspirationsquelle ist anders: schneller, internationaler. Mehr von Persönlichkeiten geprägt als von der Industrie.
Dress Code
Dass dieser Vintage-Laden in der Nostitzstraße 25 mit Liebe geführt ist, erkennt man sofort. Nadja Stegmaier (36) sitzt an ihrer Nähmaschine und repariert gerade ein Teil. Vor fünf Jahren hat sie Dress Code eröffnet. Dass sie irgendwann diesen Job ausüben würde, merkte sie schon früh: „Ich wusste das schon mit 15 und bin damals zu den Flohmärkten in Freiburg gepilgert“, sagt Stegmaier, die ursprünglich aus Baden-Württemberg kommt.
In Stuttgart hat sie Modedesign studiert. Danach fing sie an, die Sachen gezielt zur Seite zu legen, Geld zu sparen und ihren Traum zu verfestigen. Mit 31 Jahren hat sie dann ihren eigenen Laden aufgemacht. Und das bis heute erfolgreich, sagt die zweifache Mama.
Auch sie überlegt sich vorher, wer dieses bestimmte Kleidungsstück kaufen könnte. Sie hat Kundinnen jeden Alters. Im Dress Code gibt es neben der „normalen“ Second-Hand-Kleidung auch echte Schätze. Stegmaier arbeitet mit Stylisten von Shootings-, Film- und Theaterprojekten zusammen. Außerdem ist ihr Freund Kostümbildner. Von ihm landen viele Teile bei Stegmaier.
Von der Jogginghose bis zum Glitzerkleid ist hier alles dabei. Auch Basics finden sich im Laden. Mode aus den 20er und 30er Jahren gibt es allerdings nicht. Dafür vieles aus den 70ern, 80ern und 90ern sowie Basic Jersey. Auch wer auf eine Mottoparty geht oder ein Halloweenkostüm sucht, ist hier richtig. Ihren Store beschreibt Stegmaier so: Familiär, großzügig vom Platz her – es gibt keine Rundständer. Dafür ein Umkleidezimmer mit Sofa. Sie versucht, nicht alles vollzustellen.
Zudem kommt die Nähmaschine oft zum Einsatz. Stegmaier kann Knöpfe annähen und Kleidung upcyclen, Ärmel abtrennen oder Klamotten umnähen. „Für mich ist es das Größte, wenn jemand ein Teil an die Kasse bringt, das ich bearbeitet oder den Knopf nochmal drangenäht habe. Das Teil habe ich dann gerettet.“ Statt wegzuwerfen, kann man Vieles noch reparieren.
Stegmaier kauft sich auch ein bis zweimal im Jahr etwas Neues. „Aber in Thailand wird jeden Tag so viel Schrott produziert aus schlechten Materialien.“ Das Problem sei das Verlangen nach Neuem. Und im Internet komme man an alles ran. Alles ist im Überfluss und man fühle sich leicht überfordert. „Dadurch gibt es viele Fehlkäufe.“
Wenn ein Teil 2,95 Euro im Primark kostet, dann stimmt doch etwas nicht, sagt sie. „Der Billigste gewinnt.“ Laut ihr könnte es sich Inditex – zu denen u.a. Zara und Pull&Bear gehören – leisten, die Preise leicht anzuheben, um humanere Bedingungen bei der Produktion der Kleidung zu schaffen. „Und damit sich andere Unternehmen unter Druck gesetzt fühlen, nachzuziehen.“
Inspirieren lässt sich Stegmaier von der Elle, der Vogue, dem Streetstyle oder von Bloggern. „Momentan sind die 90er total im Trend. Die Light-Version von allen 90ties Sachen ist im Mainstream angekommen.“
Wo kann ich Vintage Klamotten in Berlin shoppen?
Während ich in Berlin gearbeitet habe, war ich in einigen Vintageläden. Neben Dress Code und Loretta Vintage habe ich auch bei Humana Stores vorbeigeschaut. Einen eigenen Blogbeitrag zu Humana findest du hier.
Ich war auch bei Vintage Berlin in der Karl-Kunger-Straße und bei Sometimes Coloured in der Grünberger Straße 90 beim Boxhagener Platz, wo ich mir auch ein Oberteil gekauft habe. Weitere Adressen und Öffnungszeiten findest du in der Karte. So, ich hoffe du bist nicht erschlagen vom Text und ich konnte dir weiterhelfen. Fragen, Anregungen? Schreib es in die Kommentare!
Deine Trish
PS: In der Karte sind längst nicht alle Vintage- und Second-Hand-Läden drin. Es gibt in Berlin unzählige Stores. Ein Blick auf Google lohnt sich also. Ich habe die Humana und Pick’n’Weight Stores weggelassen. Das hätte den Rahmen gesprengt. 😉
1 Kommentar
Danke für den tollen Beitrag! Und liebe Grüße von Susan- Loretta Vintage